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Detailergebnis zu DOK-Nr. 48770

Das Defizit im öffentlichen Personennahverkehr in Theorie und Empirie

Autoren K.-H. Storchmann
Sachgebiete 0.2 Verkehrspolitik, Verkehrswirtschaft
5.3.4 Öffentlicher Personennahverkehr

Berlin: Duncker & Humblot, 1999, 169 S., zahlr. B, T, Q (Schriftenreihe des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Neue Folge H. 64)

Angesichts der in den letzten Jahrzehnten zu beobachtenden Vervielfachung des Individualverkehrs und der Verkehrsleistung sowie der damit verbundenen Städtebau- und Umweltprobleme kommt immer wieder der Vorschlag einer Korrektur des Modal Split zugunsten des ÖPNV auf, und zwar insbesondere bezüglich der Berufs- und Ausbildungsverkehre. Unter den Instrumenten, die ein solches "Umsteigen" der Verkehrsteilnehmer herbeiführen sollen, wird den Änderungen der relativen Preise besondere Bedeutung beigemessen, wobei Pkw-belastende Maßnahmen (z.B. eine Erhöhung der Mineralölsteuer) und ÖPNV-unterstützende bzw. attraktivitätssteigernde Maßnahmen (z.B. Verbilligungen durch Tarifsenkungen) diskutiert werden. Die städtebau- und umweltpolitisch angestrebte Änderung des Modal Split zugunsten des ÖPNV erweist sich als äußerst komplexe Aufgabe bzw. als interdependentes Wirkungsgefüge zwischen Preis, Verkehrsleistung, ÖPNV-Kosten und -Defizit. Die Lösung dieses Optimierungsproblems legt die Abbildung der Zusammenhänge in einem Gleichungssystem und eine simultane Behandlung, d.h. eine umfassende Modellbetrachtung nahe. In der vorliegenden Arbeit wurden die Zusammenhänge in einem formalen Gleichungssystem abgebildet, das diesen Interdependenzen Rechnung trägt. Mit Hilfe dieses Modells wurden in 5 Szenarien die Implikationen von Nulltarifen im ÖPNV, einer Halbierung der Peak-Preise (Job-/Semesterticket), einer Halbierung der Off-Peak-Preise (Freizeit-Ticket), von kostendeckenden Ramsey-Preisen sowie von Kraftstoffpreiserhöhungen für den Pkw-Verkehr simuliert und evaluiert. Es zeigte sich, daß überall da, wo Tarifsenkungen die Spitzenverkehre ansprechen (Nulltarif, Job-/Semesterticket), höhere modal shifts zu erwarten sind, als da, wo Off-Peak-Verkehre Begünstigte sind (Freizeit-Ticket). Allerdings sind gerade die Spitzenverkehre durch hohe Grenzkosten und geringe Grenzerlöse gekennzeichnet, so daß sich der Zuschußbedarf erheblich erhöhen würde. Im Falle des Nulltarifs wäre beispielsweise eine Steigerung der Kostenunterdeckung von 12 auf 29 Mrd. DM zu erwarten. Gleichzeitig würden lediglich 2,5 % des gesamten Pkw-Verkehrs auf Bus und Bahn umgelenkt. Als das Instrument mit den größten Lenkungswirkungen bei geringsten Kosten stellten sich Abgaben auf den Kraftstoffpreis heraus. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, daß auch Kraftstoffpreiserhöhungen aufgrund der Umlenkung ausschließlich in der Spitzenlast eine weitere Erhöhung des ÖPNV-Defizits bewirken.