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Detailergebnis zu DOK-Nr. 76607

Umgebungslärm: Belästigung ist nicht gleich Belastung

Autoren H. Grenzland
Sachgebiete 6.9 Verkehrsemissionen, Immissionsschutz

Lärmbekämpfung 16 (2021) Nr. 2, S. 46-51, 1 B, 3 T

Wir haben kein Erkenntnisproblem mehr, was den Lärmschutz und die Belastungen durch Lärm betrifft. Studien sind durchgeführt, Statistiken angefertigt, unsere Analyse- und Messverfahren sind hochpräzise, werden ständig optimiert und liefern bestes Zahlenmaterial. Aber wir haben ein Umsetzungs- und Durchsetzungsproblem. Und einen gesellschaftlichen Problembereich, der noch gar nicht richtig für die Lärmschutzproblematik erfasst und durchdrungen ist. Das Umsetzungsproblem besteht in der Unmöglichkeit, bestimmte Grenzen von Materialbedingungen und Situationen zu durchbrechen. Das Durchsetzungsproblem zeigt sich zum einen auf der gesetzgeberischen Seite. Was zum Beispiel in den WHO-Leitlinien, den EU-Verordnungen und in den einzelnen Emissions- und Immissionsschutzregelungen festgeschrieben ist, erweist sich oft letztlich nur als Zielvorgabe oder Empfehlung, deren Umsetzung angestrebt werden soll, aber nicht erfolgen muss. Die Forderungen und Ziele des Lärmschutzes und der Umwelt- und Klimapolitik sind ähnlich wie die Menschenrechte immer noch eine fragile Utopie. Der Grund dafür: Staatliche Maßnahmen und Verordnungen müssen Spannungen in der Gesellschaft austarieren und das ist ein schwieriger gesetzgeberischer und gesellschaftlicher Prozess. Die Konfliktlinien, die durch Umweltvorschriften entstehen, verlaufen weltweit gesehen nicht nur zwischen individuellen, kulturellen, ethnischen oder religiösen Ansprüchen und Interessen, sondern gerade im Fall des Lärmschutzes in unserer liberalen Individualgesellschaft in einem wilden Zickzack noch einmal kreuz und quer durch alle gesellschaftlichen Gruppierungen hindurch.