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Detailergebnis zu DOK-Nr. 77062

Die ausgefallene Revolution im Artenschutzrecht – das EuGH-Urteil in der Rechtssache Skydda Skogen

Autoren F. Fellenberg
Sachgebiete 3.10 Umwelt-/Naturschutzrecht
5.7 Landschaftsgestaltung, Ökologie, UVP

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 40 (2021) Nr. 13, S. 943-946

Das Artenschutzrecht ist, wie sein Name schon sagt, auf die Erhaltung der Arten ausgerichtet. Der Schutz jedes einzelnen Individuums als Mitgeschöpf und um seiner selbst willen, unabhängig von seiner Art und Seltenheit, ist demgegenüber Aufgabe des Tierschutzrechts (vgl. § 1 TierSchG). Ob dieser normative Anspruch des Tierschutzrechts den Wirklichkeitstest besteht, wird man mit Blick etwa auf die Haltungsbedingungen landwirtschaftlicher Nutztiere durchaus bezweifeln können. An der eigenständigen und unterschiedlichen Zielrichtung der beiden Regelungsregime ändert das aber nichts. Allerdings setzen auch die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote (Artikel 12 I FFH-RL, Artikel 5 VRL, umgesetzt in § 44 I und V BNatSchG) nicht erst auf der Bezugsebene der Population, sondern des einzelnen Exemplars geschützter Arten an. Ein Widerspruch zur artbezogenen Zielsetzung der Richtlinien ist das nicht, denn Auswirkungen auf der Ebene der Population und das fortschreitende Artensterben ergeben sich stets aus kumulierten Beeinträchtigungen und Schädigungen von Individuen. Ein Spannungsverhältnis besteht gleichwohl; es liegt vielen Auslegungsfragen des Artenschutzrechts zugrunde. Der EuGH hatte nun Gelegenheit, für mehr Klarheit zu sorgen. Die Voraussetzungen waren gut: Generalanwältin Kokott legte zu wohldurchdachten Vorlagefragen eines schwedischen Gerichts fulminante Schlussanträge vor, die den Versuch unternahmen, das unionale Artenschutzrecht zu einem widerspruchsfreien Ganzen fortzuentwickeln. Für Gesprächsstoff sorgte ihr Vorschlag, bei den - in der Praxis allein relevanten - billigend in Kauf genommenen Beeinträchtigungen eine "absichtliche" Tötung oder Beschädigung im Sinne des Artikel 5 a beziehungsweise b VRL davon abhängig zu machen, dass sich der Eingriff negativ auf den Erhaltungszustand der betreffenden Vogelart auswirken kann.