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Detailergebnis zu DOK-Nr. 80720

Postfossile Mobilität: Zwischen Utopie und Wirklichkeit

Autoren A. Tress
Sachgebiete 0.2 Verkehrspolitik, Verkehrswirtschaft
0.8 Forschung und Entwicklung
6.10 Energieverbrauch, Elektromobilität

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2024, 259 S., 2 B, 4 T, zahlr. Q, Anhang (Umweltsoziologie Bd. 13). − ISBN 978-3-7560-1497-2

Die im massenhaften Privatbesitz befindlichen Pkw, die durch die Verbrennung von Erdölderivaten angetrieben werden, wird als Gefahrenquelle beobachtet, die zur Klimaerwärmung beiträgt und damit die Existenzgrundlage der gesamten Gesellschaft bedroht. Die Gesellschaft erkennt die Bedrohung und fordert eine neue, klimafreundliche Mobilität. Wer von Gesellschaft spricht, darf nicht der Illusion erliegen, dass eine Gesellschaft ein gemeinsames Problem, wie die Herausbildung einer klimafreundlichen Mobilität, bearbeiten würde. Vielmehr haben wir es mit einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft zu tun: Die Funktionssysteme der Gesellschaft folgen ihren jeweils spezifischen Operationslogiken und erfüllen ihre jeweiligen Funktionen. Sie können immer nur auf Basis ihrer eigenen Probleme und ihrer spezifischen Codierung Resonanzen erzeugen: Die Politik kann zum Beispiel ihre Umwelt nur anhand ihres spezifischen Beobachtungsschemas beobachten und politisch daran anschließen. Der gesellschaftliche Diskurs über neue Mobilitätsformen erhitzt sich und unterschiedliche Interessen kollidieren. Das Klimaabkommen von Paris und das vom EU-Parlament beschlossene Verbot neuer Verbrenner ab 2035 prallen auf die Interessen einer deutschen Automobilindustrie, deren Expertise im Verbrennungsmotor liegt und die auf Wachstum ausgerichtet ist. Politische Entscheidungen stehen zum Teil im Konflikt mit den Interessen wirtschaftlicher Unternehmen, der Verwaltungen oder mit dem Recht. Durch die Medien wird die gesellschaftliche Debatte befeuert und eine Kaskade an Anschlusskommunikationen ausgelöst, an der die Gesellschaft nahezu zu überhitzen droht. Vom BMWK wird Elektromobilität als "weltweiter Schlüssel für klimafreundliche Mobilität" gepriesen. Elektromobilität wird als Hoffnungsträger für eine klimafreundliche Mobilität kommuniziert. Ob diese Antriebsform wirklich die "sauberste" ist, soll erst einmal dahingestellt sein. Die Forschungsarbeit soll kein moralischer Appell sein und setzt sich nicht das Ziel, Verhaltensänderungen auszulösen, da beides meist schnell wieder verpufft. Es ist ratsam von der Frage, ob "wir" uns auf die Umstellung auf Elektromobilität einstellen können, zur Frage zu wechseln, ob dies einer modernen Gesellschaft gelingen kann. In einer Gesellschaft machen nicht die "besten" Mobilitätstechnologien das Rennen, sondern solche Mobilitätskommunikationen über Technologien, die sich als anschlussfähig erweisen. Es ist an der Zeit, dass sich die Soziologie in einem Feld - Mobilität und Verkehr - ausbreitet, das bisher vor allem von technischen und wirtschaftlichen Forschungsdisziplinen dominiert wurde, und mit ihrem zweiten Blick blinde Flecke aufdeckt: Ein Perspektivwechsel ist erforderlich.