Detailergebnis zu DOK-Nr. 75578
Hundert Jahre Groß-Berlin (Teil II): das gefährdete Vermächtnis
Autoren |
R.L. Schön |
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Sachgebiete |
5.3.1 Stadt- und Verkehrsplanung |
PLANERIN (2018) Nr. 5, S. 40-42, 3 B
Gebietsreformen, so unumgänglich sie auch sein mögen, haben ihre Tücken. Im Zuge großer baulicher Veränderungen war im Umland Berlins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein für preußische und deutsche Verhältnisse riesiger Ballungsraum mit 3,8 Mio. Einwohnern entstanden. Technischer Fortschritt, Industrialisierung und ein dramatisches Bevölkerungswachstum hatten in wenigen Jahrzehnten neue Wirklichkeiten geschaffen. Anders als im ausgedehnteren Ruhrgebiet grenzten Charlottenburg, Schöneberg und Neukölln nahtlos an Berlin an. Die 1920 beschlossene Fusion sollte Gebietskörperschaften vereinen, die längst eng miteinander verflochten waren. In der Verkehrsplanung zum Beispiel arbeitete man schon gut zusammen. Aber was da vereinigt werden sollte, bestand aus den unterschiedlichsten Gruppierungen. Die sozialen Gegensätze waren enorm. Einige der größten Industriestandorte des Kontinents mit rund 750 000 Industriearbeitsplätzen, Wohnungsnot und Armut sollten mit bisher selbstständigen, wohlhabenden Wohnstädten und herrschaftlichen Villenkolonien zu einer mächtigen Einheitsgemeinde verschmolzen werden. Die Vorteile enger Kooperation bei Verkehr, Bauplanung und Grünflächen ließen sich leicht vermitteln. Diesen Fortschritt wollten alle. Entsprechend gut funktionierte die Zusammenarbeit im Zweckverband Groß-Berlin, in dem zwischen 1912 und 1920 sieben Städte und zwei Landkreise sich mit ihren Planungen abstimmten. Der nächste Schritt jedoch, aus einer gemeinsamen Mitte zu regieren, zu verwalten und planen, war in den besser gestellten, westlichen Vorstädten höchst unpopulär. Denn Einheitsgemeinde bedeutete Solidargemeinschaft und Finanzausgleich - gemeinsame Zahlungen nicht nur für Infrastruktur, sondern auch für die hohen Soziallasten.