Detailergebnis zu DOK-Nr. 80328
Die ökonomischen Kosten einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h auf Autobahnen (Orig. engl.: The economic cost of a 130 kph speed limit in Germany)
Autoren |
G. Sieg |
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Sachgebiete |
0.2 Verkehrspolitik, Verkehrswirtschaft 5.1 Autobahnen 5.17 Bewertungsverfahren (Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen) |
Münster: Institute of Transport Economics Münster, 2023, 5 S., 3 B, 11 T, 5 Q (Institute of Transport Economics Münster / Working Paper Nr. 38). − Online-Ressource: verfügbar unter: https://www.wiwi.uni-muenster.de/ivm/forschung/diskussionspapiere-des-instituts
Deutschland ist das einzige große Land der Welt, in dem es keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gibt. Es ist bekannt, dass hohe Geschwindigkeiten schwerere Unfälle verursachen und den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen erhöhen. Die derzeitige Politik stellt die deutsche Vision Zero (mit dem Ziel: keine schweren Unfälle und Todesfälle im Straßenverkehr) sowie die Klimaziele des Lands (Emissionsreduzierung um 65 % im Zeitraum 1990-2030) in Frage. Ungeachtet der Gesundheits- und Umweltbedenken gibt es eine breite gesellschaftliche Unterstützung für ein Tempolimit von 130 km/h. Argumente gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung wurden unter anderem von der Industrie vorgebracht, und insbesondere der Verband der Automobilindustrie (VDA) stellte fest, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen nur marginale Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch hätten und dass ihre "wirtschaftlichen Kosten" aufgrund von Zeitverlusten hoch seien. Solche Behauptungen wurden auch von Forschungsinstituten aufgestellt. So kommt ein "Policy-Brief" des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zu dem Schluss, dass ein generelles Tempolimit zu erheblichen Wohlfahrtsverlusten führt. Das Arbeitspapier sollte durch eine umfassende Bewertung der beteiligten Parameter Klarheit in diese Frage bringen. Eins der Hauptargumente für diese Politik ist, dass niedrigere Geschwindigkeiten Kosten für die Reisezeit verursachen, die nicht durch Vorteile, wie zum Beispiel eine Verringerung der Treibhausgasemissionen, aufgewogen werden. Da die Entscheidungsfindung im Verkehrswesen in der Europäischen Union auf der Grundlage von Kosten-Nutzen-Analysen (KNA) erfolgt, werden in dem Arbeitspapier die Werte von Reisezeit, Kraftstoffverbrauch, Infrastruktur, Unfällen, Kohlendioxid (CO2) und Luftverschmutzung verglichen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Tempolimit von 130 km/h am unteren Ende der Schätzung Wohlfahrtsgewinne in der Größenordnung von 950 Millionen Euro pro Jahr generieren würde. Eine Politik ohne Geschwindigkeitsbegrenzung stellt demnach eine Subvention für Schnellfahrende dar. Das Arbeitspapier erörtert auch die Ansichten der Öffentlichkeit gegenüber der Autolobby und die Bedeutung des deutschen Klimaschutzgesetzes, das eine Dekarbonisierung der Verkehrssysteme vorschreibt. Die KNA legt nahe, dass ein Tempolimit von 130 km/h ein Politikbereich ist, in dem Umweltbelange, positive wirtschaftliche Auswirkungen und die öffentliche Meinung in Einklang gebracht werden können.