Detailergebnis zu DOK-Nr. 81579
Die Moderne (er)fahren – Technologie, Experten, Politik und faschistische Autobahnen 1922 bis 1943 in Italien (Orig. engl.: Driving modernity – technology, experts, politics, and fascist motorways, 1922-1943)
Autoren |
M. Moraglio |
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Sachgebiete |
0.1 Straßengeschichte 5.1 Autobahnen |
New York: Berghahn Books, 2023 (2017), XIII, 194 S., zahlr. B, Q, (Explorations in Mobility; 3).- ISBN 978-1-80073-939-0
Am 26. März 1923 begann offiziell der Bau der Autobahn "Mailand-Alpenseen", der ersten europäischen Autobahn. Benito Mussolini, von 1922 bis 1943 faschistischer Ministerpräsident des Königreiches Italien und Diktator, nahm persönlich an den Feierlichkeiten teil, was die Wichtigkeit des Projekts für den italienischen Faschismus unterstreicht. Das Buch beschreibt die wechselhafte Geschichte der Autobahn, die zusammen mit Eisenbahnen, Luftfahrt und anderen Mobilitätsformen eine Ideologie des technologischen Nationalismus verbreiten sollte. Es bietet einen Einblick in die Verflechtung von Technologie, Politik und Ideologie im faschistischen Italien der Zwischenkriegszeit und zeigt, wie Infrastrukturprojekte als Mittel zur Verbreitung politischer Werte genutzt wurden. Natürlich spielt Piero Puricelli (1883 – 1951), Bauingenieur aus Mailand, die treibende Kraft der ersten Nur-Autostraßen in Italien, eine Rolle: Am 21. September 1924 wurde in Lainate das erste Teilstück von Mailand nach Varese der späteren "Autostrada dei Laghi" für den Verkehr freigegeben, am 28. Juni 1925 dann das 24km lange und 57 Millionen Lire teure Teilstück von Lainate nach Como (heute A9). Im selben Jahr wurde außerdem die elf Kilometer lange Strecke Gallarate–Sesto Calende fertiggestellt. Somit ist die heutige A8 die erste fertiggestellte reine Autostraße Europas, die gegen Maut als Verkehrsweg zugänglich war, jedoch ohne getrennte Richtungsfahrbahnen, also eher eine Kraftfahrstraße als eine Autobahn. Das Buch erklärt, warum Italien letztlich daran scheiterte, seine umfangreiche Infrastrukturvision zu verwirklichen, und geht auf die politischen und sozialen Bedingungen ein, die einen kohärenten Entwicklungsplan unmöglich machten. Der Autor Massimo Moraglio untersucht, wie das Autobahnprojekt von einer fantastischen Idee einiger Mailänder Geschäftsleute zu einem international anerkannten technologischen Symbol des faschistischen Italiens wurde, geht aber nur am Rande auf die technischen Details ein (siehe hierzu DOK 80894). Das Buch basiert auf umfangreicher Archivforschung und analysiert den komplexen ideologischen Charakter dieser Autobahnen, auch die finanziellen Grundlagen, von ihrer Konzeption bis zur weit verbreiteten Einführung des Automobils. Behandelt werden auch die Situation in Italien vor den neuen Nur-Autostraßen, die Autobahnmanie in Italien in den 1920er Jahren, das dauerhafte Problem der Unterstützung der weiteren Außerortsstraßen in Italien, das Pedemontana-Projekt (Turin-Triest), die Verbindung Turin-Mailand, europäische Pläne und die Bankrotterklärung. Moraglio ist Senior Researcher an der TU Berlin und "Editor-in-chief“ des "The Journal of Transport History“. Das Buch erschien bereits 2007 in Italien (Nuova Trauben Edizioni).