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0503 273
Flächenhafte Verkehrsberuhigung - fahrerbegleitende Beobachtungen in den drei Modellgebieten Berlin-Moabit, Mainz-Bretzenheim, Buxtehude
8019/13
IDN 704263
Forschungsstelle Dipl.-Ing. J. Steinbrecher, Aachen
Bearbeiter Steinbrecher, J.
Daum, R.
Lingens, N.
Auftraggeber Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
Stand Abschluss: März 1989

In den drei Modellgemeinden in Berlin, Mainz und Buxtehude wurden fahrerbegleitende Beobachtungen mit einem instrumentierten Fahrzeug durchgeführt. 95 Probanden absolvierten eine 90-minütige Fahrt, die zum einen durch die Maßnahmengebiete im umgebauten Zustand und zum anderen durch Vergleichsgebiete ohne Verkehrsberuhigung führte. Die Hälfte der Fahrer waren Anwohner der Maßnahmengebiete. Am Fahrzeug fest installierte Videokameras zeichneten den Fahrtverlauf auf, Fahrparameter und Kommentare der Fahrer wurden ebenfalls automatisch registriert. Der Fahrtbegleiter codierte im Fahrzeug Details des Interaktionsverhaltens wie Handzeichen oder Gesten und führte am Ende der Fahrt ein Interwiew mit den Fahrern. Über 2.300 Begegnungssituationen zwischen Kraftfahrern und nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmern wurden analysiert. Mit verschiedenen Methoden wurden mögliche Verstellungseffekte der Probanden kontrolliert. Aufgrund der Befunde dieser Validitätsprüfungen konnte die Hypothese, daß die Fahrer in der Testsituation nicht ihr Normalverhalten zeigten, sondern ein Verhalten, das sie für das sozial erwünschte hielten, verworfen werden. Es war damit weitgehend eine ökologische Validität der Ergebnisse gegeben. In Berlin ist die Verkehrsberuhigung durch eine flächendeckende Beschilderung mit Z325, punktuelle bauliche Maßnahmen in dichter Folge und konsequente Rechts-vor-links-Regelungen gekennzeichnet. Die Geschwindigkeitsniveaus lagen zwar über der Schrittgeschwindigkeit, Mittelwerte von etwa 20 km/h sind jedoch als ausgesprochen günstig zu werten. Die Kraftfahrer gewährten den Fußgängern im Maßnahmengebiet häufiger Vortritt als im Vergleichsgebiet, allerdings konnte eine Gleichberechtigung im Sinne von Z325 nicht erreicht werden.Die Begegnungsgeschwindigkeiten lagen im Mittel unter 20km/h, hieraus ergeben sich für den Kollisionsfall niedrige potentielle Risiken für die nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmer. Anwohner der Maßnahmengebiete fuhren langsamer und ließen Fußgängern häufiger Vortritt als andere. An den rechts vor links geregelten Knotenpunkten konnte ein sehr sicheres Fahrverhalten beobachtet werden. In Mainz wurde in den Tempo 30-Zonen des Maßnahmengebiets kaum langsamer gefahren als in entsprechenden Straßen des Vergleichsgebiets.Die Kraftfahrer waren nicht bereit, auf ihren Vorrang gegenüber Fußgängern mit Querungsabsicht zu verzichten. Die Begegnungsgeschwindigkeiten lagen in der Größenordnung von 30km/h, dabei war nur jeder zweite Fahrer in Bremsbereitschaft.Die Probanden äußerten zahlreiche Kritik an den Umbaumaßnahmen und zeigten Unsicherheiten an den uneinheitlich geregelten Knotenpunkten. In Buxtehude wurde Tempo 30 ebensfalls häufig überschritten, aber die Geschwindigkeiten lagen im Maßnahmengebiet niedriger als im Vergleichsgebiet. Die Hypothese, daß Kraftfahrer beim Verlassen der Tempo 30-Zone versuchen, Zeitverluste zu kompensieren, konnte hier zurückgewiesen werden. Die Fahrer verzichteten bei Querungsabsichten von Fußgängern in knapp 10% der Fälle auf ihren Vorrang, wobei die Rate für Anwohner des Maßnahmengebiets höher lag. Bei Durchsetzung der Kraftfahrer lagen die Geschwindigkeiten auf einem Niveau von etwa 25 km/h, jeder zweite Fahrer war in Bremsbereitschaft.Die Querungshilfen im Maßnahmengebiet erzeugten einen gewissen Aufforderungscharakter bei den Probanden; einige Fahrer waren sich nicht sicher, ob sie an diesen Stellen noch Vorrang gegenüber den Fußgängern hatten oder nicht.

Veröffentlichung