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Methoden der Baufeldfreimachung in Reptilienhabitaten, Landhabitaten von Amphibien und Habitaten der Haselmaus
2.407
IDN 709356
Forschungsstelle Büro für faunistische Gutachten, Dr. U. Schulte, Borgholzhausen
Bearbeiter Schulte, U.
Auftraggeber Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bonn
Stand Abschluss: Juli 2020

Strukturreiche Böschungs- und Saumbereiche entlang von Verkehrstrassen stellen wertvolle Sekundär-Lebensräume und Verbindungskorridore für Reptilien, aber auch Amphibien und die Haselmaus dar. Aufgrund des Fluchtverhaltens und der fehlenden Möglichkeit einer mechanischen Vergrämung besteht bei vielen Baumaßnahmen (Straßenneubau und -ausbau, Lärmschutzwände, Brückenbauwerke, Rastanlagen) ein erhöhtes Risiko der Tötung von Individuen. Für die zur Vermeidung von Tötungen angewandten Maßnahmen fehlen Standardisierungen und die für die Einschätzung ihrer Wirksamkeit notwendigen Erfahrungen und Belege weitestgehend. Zudem bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Signifikanzschwelle des individuenbezogenen baubedingten Tötungsrisikos. Über eine Auswertung von Projekten im Straßen- und Bahnbau, eine Expertenbefragung sowie eine umfangreiche Literaturrecherche wird in diesem FE a) ein Überblick zu den derzeit in der Praxis angewandten Methoden gegeben, b) die Wirksamkeit der Methoden artspezifisch beurteilt und c) das tatsächliche Tötungs- und Verletzungsrisiko der Arten abgeschätzt. Im Ergebnis zeigen sich große Unterschiede zwischen den betrachteten Arten(gruppen). Für die Haselmaus existieren konkrete Empfehlungen zur Vergrämung mit oder ohne Abfang, die auch weitestgehend einheitlich angewandt wurden. Die Schutzmaßnahmen für Amphibien dienen primär der Baufeldsicherung. Befinden sich Amphibien innerhalb eines Baufelds, ist ein Abfang in Verbindung mit oder ohne Verlagerung von Laichgewässern und Umsetzung oder Umsiedlung zwingend notwendig. Während bei Amphibien und Haselmaus ein zumindest zur Abwendung des Tötungsverbots wirksames Methodenspektrum angewandt wird, bestehen bei Reptilien große Unsicherheiten bezüglich Vorgehensweise und Wirksamkeit von Maßnahmen (vor allem bei der Vergrämung durch Mahd oder das Auslegen von Folie). Generell lässt sich nicht jedes Bauvorhaben mit dem Schutz der Arten vereinbaren. Prioritär gilt es alle Möglichkeiten der Vermeidung ("Vermeidungsgebot" nach § 15 Abs. 1 BNatSchG) unter genauer Prüfung zumutbarer Alternativen auszuschöpfen. Ist eine komplette Vermeidung des Eingriffs nicht zumutbar, sollte der Eingriff dennoch so gering wie möglich ausfallen. Vorrangiges Ziel muss der Erhalt der betroffenen Population im angestammten Lebensraum sein. Sensible Kernbereiche der Lebensräume sollten von der Planung ausgenommen werden (Tabuzonen), sodass ein In-situ-Erhalt der Population möglich ist und eine Umsetzung mit oder ohne Vergrämung in an das Baufeld angrenzende optimierte Bereiche erfolgen kann. Im Sinne eines vorausschauenden Artenschutzes empfiehlt es sich, Korridore zu bestehenden Lebensräumen im Umfeld von Verkehrswegen zu entwickeln beziehungsweise zu fördern, die bei zukünftigen Baumaßnahmen als Kompensationsflächen verfügbar wären.

Veröffentlichung Schulte, U.: Methoden der Baufeldfreimachung in Reptilienhabitaten, Landhabitaten von Amphibien und Habitaten der Haselmaus. Bremen: Fachverlag NW im Carl Schünemann Verlag, 2021, 171 S. (Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik (BMVI, Bonn) H. 1137). - ISBN 978-3-95606-586-6 / Informationen Forschung im Straßen- und Verkehrswesen, Teil: Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Lieferung Nr. 111, 2022