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Detailergebnis zu DOK-Nr. 39863

Mehr Verkehrssicherheit durch bessere Technik? Felduntersuchungen zur Risikokompensation am Beispiel des Antiblockiersystem (ABS) (FP 8323)

Autoren B. Biehl
K.M. Aschenbrenner
G.W. Wurm
Sachgebiete 6.3 Verkehrssicherheit (Unfälle)

Bergisch Gladbach: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), 1991, 261 S., zahlr. B, T, Q / Forschungsberichte der BASt, Bereich Unfallforschung H. 246, 1992

Es wurde empirisch geprüft, ob und in welchem Umfang Sicherheitsgewinne aufgrund fahrzeugtechnischer Maßnahmen durch entsprechend riskanteres Verhalten der Fahrer wieder aufgehoben (kompensiert) werden, wie es G. Wildes Risikohomöostasetheorie (RHT) postuliert, und auf welche Weise diese Kompensation erfolgt. Am Beispiel des Antiblockiersystems (ABS) wurden in Zusammenarbeit mit einem Münchner Taxiunternehmen Untersuchungen an Taxifahrern durchgeführt: 1. Retrospektiv wurden 957 Unfälle (270 mit ABS) von 91 Taxen (21 mit ABS) im Zeitraum vom 01.01.81 bis 31.12.83 analysiert. 2. Vier Erhebungen erfolgten von Juli 1985 bis Juni 1986 in einem Feldexperiment mit 10 Taxen mit und 10 Taxen ohne ABS, und zwar eine Analyse sämtlicher Unfälle der beiden Fahrzeuggruppen, eine wiederholte Beobachtung des Fahrverhaltens der Fahrer durch als Fahrgäste getarnte Beobachter, eine apparative Messung des Beschleunigungs- und Verzögerungsverhaltens der Fahrer und eine Befragung der Fahrer zu Kenntnissen über, Einstellungen und Meinungen zum und Erfahrungen mit ABS. Beide Unfallanalysen ergaben übereinstimmend, daß bestimmte Unfallarten (Unfälle mit Vollbremsung, durch Geschnittenwerden) mit ABS seltener auftraten als ohne. Dieser Sicherheitsgewinn wurde aber in beiden Analysen durch die Zunahme anderer Unfälle kompensiert, so daß die Gesamtunfallzahl beide Male gleich blieb. In der ersten Unfallanalyse war dies vor allem eine unspezifische Zunahme von Unfällen, deren Verursachung dem Unfallgegner der ABS-Taxen angelastet wurde. In der zweiten Untersuchung verursachten die ABS-Fahrer hingegen mehr Bagatellunfälle z.B. beim Parken oder Rückwärtsfahren. In beiden Analysen nahmen ferner mit ABS Unfälle bei Glatteis zu. Während der Kompensationsprozeß in der zweiten Unfallanalyse durch die weiteren Erhebungen auf geringere Aufmerksamkeit der ABS-Fahrer und Überschätzung der Wirkung des ABS zurückgeführt werden konnte, hatten die Fahrer der ersten Unfallanalyse das ABS eher aktiv zum schnelleren und riskanteren Vorwärtskommen genutzt. Die RHT konnte also durch die Untersuchungen nicht widergelegt werden, Kompensation erfolgte auf vielfältige Art.