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Detailergebnis zu DOK-Nr. 76425

Berlin (West) - eine unwirtliche Stadt? Stadtautobahnen und Großsiedlungen in der Kritik (1954-1982)

Autoren A. Jüttemann
Sachgebiete 0.1 Straßengeschichte
5.1 Autobahnen
5.3.1 Stadt- und Verkehrsplanung

Berlin: Verlag für Berlin-Brandenburg (vbb), 2021, 160 S., zahlr. B, Q, Anhang. - ISBN 978-3-947215-68-3

Andreas Jüttemann ist Historiker und Psychologe, der sich auch der Stadt- und Verkehrsgeschichte angenommen hat. In seine Masterarbeit hatte er die Geschichte der Berliner Stadtautobahnen und der Großsiedlungen (Gropiusstadt und Märkisches Viertel) im Fokus. Fällt der Blick auf die Stadt- und Verkehrsplanung der 1950er- und 1960er-Jahre, so wird offenkundig, dass viele städtebauliche Leitlinien, die damals als modern und fortschrittlich galten, heute als überholt und bewohnerfeindlich angesehen werden. Die Planenden sahen sich dem mit dem "Wirtschaftswunder" einsetzenden und ständig ansteigenden Motorisierungstrend verpflichtet. Vorherrschend war auch in Berlin (West) mehrheitlich die Vision von der durchgeplanten Stadt und eine Wohnungsbaupolitik, die den Abriss innerstädtischer Altbauten, die Schaffung von Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus am Stadtrand und die Planung großzügiger Tangenten forcierte - bis Proteste von Bürgerinitiativen und Kritik von Kultur- und Sozialwissenschaftlern dazu führten, dass Politik und Verwaltung in den 1970er- und 1980er-Jahren von ihren städtebaulichen Rahmenvorgaben Abstand nahmen. Jüttemann geht der Frage nach, welche Veränderungen die stadt- und verkehrsplanerischen Leitbilder in Berlin (West) erfuhren, welchen Einfluss Kulturkritiker und Bürgerinitiativen auf die Bewusstseinsänderung und die öffentliche Meinungsbildung ausübten (viel Autobahnplanungen wurden bis auf den Stadtring A 100, mit bis heute 16 Bauabschnitten, gestoppt) und was im Laufe der 1970er Jahre zur Abkehr von den zweifelhaft gewordenen Planungsidealen führte. Dabei spielte das Buch "Die Unwirtlichkeit der Städte" von Alexander Mitscherlich (1965) eine große Rolle, was sich auch im Buchtitel niederschlägt. Das Jahr 1954 als Startpunkt geht sicherlich auf den Beginn der Planungen der Stadtautobahn zurück, das Jahr 1982 wird nicht explizit begründet, ist aber mit dem Politikwechsel und ein Umdenken bei Stadt- und Verkehrsplanung bis hin zur Aufgabe von Planungen und dem Einsetzen der behutsamen Stadterneuerung zu begründen. Dabei bedient er sich Zitaten aus Gesprächen, die er mit zwei Zeitzeugen geführt hat, was an diesen Stellen zu einem sehr lockeren Sprachstil führt. Nicht immer sind alle Angaben korrekt und vollständig, auch kommt es zu Längen im Text. Zahlreiche historische Bilder und Pläne illustrieren das Thema und positiv fällt auf, dass der Begriff der "autogerechten Stadt" (Reichow, 1959) endlich einmal korrekt erläutert wird.