Detailergebnis zu DOK-Nr. 43664
Systematik - die vernachlässigte Grundlagenwissenschaft des Naturschutzes
Autoren |
H.K. Schminke |
---|---|
Sachgebiete |
5.7 Landschaftsgestaltung, Ökologie, UVP, Auswirkungen des Klimawandels |
Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik (BMV, Bonn) H. 636, 1993, S. 93-101, 14 Q
Die Begutachtung natürlicher Gegebenheiten und Prozesse leidet unbestreitbar am Manko einer ungenügenden Fachkompetenz. Systematik und Morphologie sind unentbehrliche Grundlagenwissenschaften für das Erkennen der vorhandenen Lebewesen und Voraussetzung für das Beschreiben einer Entwicklung. So rasant auch der Verlust von Tierarten durch menschliches Einwirken verläuft, so wenig erkennen wir doch die Folgen, denn wir kennen bei weitem noch nicht die gesamte Artenausstattung selbst unserer relativ artenarmen heimischen Fauna. Eine Art muß mit den Einzelheiten ihrer Biologie, Ökologie und Genetik eindeutig beschrieben und in einer Vergleichssammlung von Tiermaterial erfaßt sein. Ohne die ordnende Beschreibung der Systematiker bewegen sich die anderen Biologen im luftleeren Raum und verlieren sich im Wirrwarr der Indizien. Wie im gleichen Umfang diese Erkenntnis zunimmt, so schwindet die Zahl der Experten, die in der Lage sind, diese Grundlagen zu schaffen. In der Bildungsexpansion haben die biochemisch-molekularbiologischen Fachdisziplinen eine enorme Aufwertung erfahren. Forschungsmittel und Stellenbewertungen zielen fast ausschließlich in diese Bereiche. Die Auszehrung der Systematik ist dramatisch, eine lebendige Diskussion und Stimulation innerhalb der Disziplin ist kaum mehr möglich. Ökologische Gutachten werden bei Unterschlagung der gebotenen Systematik fragwürdig, ja im Grunde wertlos. Die herangezogenen Unterlagen sind vielfach veraltet, überholt und voneinander abgeschrieben. Häufig stützen sie sich auf die "beliebten Artengruppen" ohne jeglichen Indikatorswert für die spezielle Situation. Es wird oft nicht das Notwendige möglich gemacht, sondern das Mögliche für notwendig erklärt. Glaubwürdiger Umweltschutz kann ohne die Voraussetzung einer prosperienden Systematik nicht ernsthaft betrieben werden.