Detailergebnis zu DOK-Nr. 81332
Verkehr in Not: Das Automobil im Städtebau
Autoren |
J. Düwel N. Gutschow |
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Sachgebiete |
0.1 Straßengeschichte 5.3.1 Stadt- und Verkehrsplanung |
Berlin: Lukas Verlag, 2024, 407 S., zahlr. B, Q. - ISBN 978-3-86732-446-5
Der Konflikt um das Automobil in der Stadt wird seit jeher ausgetragen. Anfangs überwogen Hoffnungen und Erwartungen an das neue Verkehrsmittel, das ungebundene Mobilität versprach. Man war überzeugt, den Autos müsse Raum geschaffen werden, um sich "austoben" zu können. Doch schon bevor Kraftfahrzeuge massenhaft auf den Straßen ankamen, wurde ein Verkehrselend befürchtet. Um es abzuwenden, forderten Städtebauer, "die uralten, verwinkelten, ungesunden Stadtanlagen mit ihren halsbrecherischen Straßen abzureißen und an ihre Stelle eine moderne Stadt zu setzen." Radikale Entwürfe wurden vorgelegt, und mit den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs schien deren Umsetzung endlich in greifbarer Nähe. So verspottete der Berliner Senat Mitte der Fünfzigerjahre Fußgängerinnen und Fußgänger als "unverbesserliche Neandertaler". Über Jahrzehnte hinweg schien die Lösung der "Verkehrsnot" im Ausbau der Straßen zu bestehen. Erst mit der Einsicht in die Endlichkeit der Ressourcen setzte in den Siebzigerjahren ein Umdenken ein, allerdings ohne nennenswerte Folgen. Zwar ist seit den Neunzigerjahren von einer Verkehrswende die Rede, doch auf der Straße schlägt sich das bis heute kaum nieder. Die Beziehung zum Auto, das keineswegs nur als Bedrohung wahrgenommen wird, sondern auch Freiheit verheißt, wird ausgeblendet, oder es wird gar als "mobiles Zuhause" erlebt. Die Autoren erzählen in neun Abschnitten anhand exemplarischer Beispiele aus verschiedenen Städten die facettenreiche und widersprüchliche Geschichte des Automobils im Städtebau von den Anfängen bis heute. Jörn Düwel (Studium der Kunstgeschichte und Germanistik in Greifswald) ist seit 2002 Professor für Geschichte und Theorie der Architektur in Hamburg, seit 2006 an der dortigen HafenCity-Universität. Niels Gutschow ist als Sohn des Architekten Konstanty Gutschow geboren und studierte Architektur in Darmstadt. Der Band leistet nichts weniger als die Darstellung der Geschichte des Straßenbaus und der Verkehrsplanung und seiner städtebaulichen Konsequenzen seit der Erfindung des Automobils. Vollzogen wird sie anhand diverser Beispiele und vielen Abbildungen und Plänen aus den deutschen Städten, erweitert um internationale Perspektiven vorrangig aus den USA und Großbritannien, wo zahlreiche Impulse ihren Ursprung hatten. Somit reicht der Blick von der Fortschrittseuphorie über die "autogerechte" Stadt bis hin zur Ölkrise und dem "Rückbau" erster Stadtautobahnen. Deutlich wird dabei: die EINE Verkehrswende gibt es nicht.