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Detailergebnis zu DOK-Nr. 81893

Berichterstattung zu Verkehrskollisionen: Verzerrte Wahrnehmung

Autoren A. Herresthal
Sachgebiete 1.4 Statistik (Straßen, Kfz, Unfälle)
6.3 Verkehrssicherheit (Unfälle)

Veloplan: Fachmagazin für Radverkehr und Mikromobilität 5 (2025) Nr. 2, S. 40-45, 2 B

"Vierjähriger läuft gegen Auto", "Unfall durch Sekundenschlaf", "Radfahrerin kollidiert mit Pkw" – im Presseportal (https://www.presseportal.de/blaulicht/) finden sich täglich die lokalen und regionalen Unfallberichte der Polizei. Was zunächst ganz sachlich und nüchtern klingt, setzt allerdings durch die Auswahl der jeweiligen Informationen sowie durch die jeweils gewählten Formulierungen einen Rahmen (Framing), der gedankliche Einordnungen und emotionale Bewertungen nahelegt. Jan Nordhoff hat zum "Framing in der Verkehrsunfallberichterstattung" eine Masterarbeit vorgelegt. Sie wurde mit dem Förderpreis des Deutschen Verkehrssicherheitsrats ausgezeichnet. Nordhoff untersuchte unter anderem die Blickwinkel, aus denen heraus Unfallberichte der Polizei mehrheitlich formuliert werden. Dabei kommt er zu Ergebnissen, die nachdenklich stimmen. So stellt er beispielsweise fest, dass viele Berichte das tatsächliche Geschehen verharmlosen. Laut Nordhoff wurden seit 1950 mehr als 768 000 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet und 31 Millionen Menschen im deutschen Straßenverkehr verletzt. Diese Geschehnisse zu verharmlosen, sei unangemessen. Jeden Tag sterben auf deutschen Straßen acht Menschen. Dabei handelt es sich jedoch nicht regelmäßig um "schicksalhafte, unvermeidbare Nebenerscheinungen des Straßenverkehrs", sondern um Ereignisse, die zu 90,7 Prozent durch konkretes menschliches Fehlverhalten verursacht werden. Aus diesem Grund sieht Nordhoff schon den Begriff "Unfall" als irreführend und verharmlosend an: Unfälle passieren halt, da kann man nichts machen. So oder ähnlich denken die meisten Menschen über Unfälle. Eine solche Einstellung widerspricht jedoch dem polizeilichen Auftrag der Verkehrssicherheitsarbeit und Aufklärung zur Unfallvermeidung. Deshalb sollte die polizeiliche Berichterstattung andere Botschaften und Gefühle vermitteln, die der menschlichen Dramatik des Geschehens näherkommen.